Wer denkt während einer Pandemie eigentlich an die Studenten?
Ein Beitrag von Gemma-Lois Kohnke und Caroline Herrmann
Dass Schulen von der Pandemie stark betroffen sind, ist mittlerweile allseits bekannt.
An allen Ecken diskutiert man: Schulen öffnen? Schulen schließen? Klassen teilen? Online Unterricht? Homeschooling? In den ganzen Diskussionen geht oft eins unter: die Studenten. Die Lage der Studenten steht genauso in den Sternen geschrieben, wie die der Schüler …
Doch wer kümmert sich um sie? Wieso haben Studenten eine so viel kleinere Priorität in der Politik?
Online Studium – das Schicksal eines jeden Studenten in der Pandemie. Stundenlang synchrone Vorlesungen oder Seminare verfolgen, ohne sich dabei von den lustigen anderen Programmen auf seinem Gerät ablenken zu lassen. Aber danach ist nicht Schluss! Regelmäßige online Abgaben, Eigenstudium mit Literatur, die man in der momentanen Situation ebenfalls nur online finden kann. Der moderne Student lebt Tag und Nacht zwischen Zoom Meetings und online Bibliotheken. Die Namen der Mitstreiter*innen hat man höchstens ein oder zweimal in der Teilnehmerliste der wöchentlichen Mittwochsvorlesung gesehen. Gruppenarbeiten im Seminar sind oft sehr zäh, man bespricht nur das Nötigste miteinander, manchmal spricht auch gar keiner. Viele der Erst- oder Zweitsemesterstudent*innen haben in ihrer Laufbahn nicht einmal einen Hörsaal ihrer Universität oder Hochschule betreten können. Das typische Campusleben bleibt auf der Strecke, genau wie die Zufriedenheit der Betroffenen.
Doch Studien scheitern in so einer Situation nicht nur an der allgemeinen Unzufriedenheit, es gibt einen viel entscheidenderen Faktor, an den in erster Linie kaum einer denkt: das Geld.
Student*innen die nicht dem Erst- oder Zweitsemester angehören und somit schon länger an einer Hochschule immatrikuliert sind, konnten vor der Pandemie ihre Studienleistungen oft direkt in der Räumlichkeit ablegen. Belegarbeiten konnten auch in physischer Form eingereicht werden, für Arbeiten mit dem Internet konnten hochschuleigene PCs verwendet werden. Highspeed Internet zu Hause war keine Voraussetzung zum Studieren. Dies hat sich drastisch geändert. Vorlesungen, Seminare, Tutorien, Gruppenarbeiten – all dies findet nun online statt. Wer also zu Hause kein internetfähiges Gerät und die passende Leitung dazu hat, dem fehlt quasi Hammer und Meißel.
Aber hier hört es noch nicht auf! Ein gut verständliches Mikrofon oder Headset, eine Webcam, verschiedenste Programme für die Arbeit an online Aufgaben – für alle Gerätschaften steht eine Summe an, die die meisten Familien sich einfach nicht leisten können. Aufgrund der aktuellen Situation mussten viele Normalverdiener*innen in Kurzarbeit gehen, manche verloren sogar komplett ihren Job. Oft reicht das Geld grade so für das nötigste, und Investitionen wie ein PC oder ein Laptop passen einfach nicht in den Finanzplan. Auch die Bearbeitung von BAföG-Anträgen dauert seit dem Ausbruch um einiges länger. Zahlungen kommen oft verspätet oder gar nicht. Student*innen die ihr Studium selbst finanzieren, kommen in Engpässe, da Studentenjobs keine stabile Einkommensquelle mehr darstellen. Die Pandemie hat in allen Facetten das Studieren zu einem noch größeren Privileg gemacht, als es so schon ist. Ein Privileg, das im Moment nicht jeder als so eines anerkennen kann.
Doch nicht nur technische oder finanzielle Voraussetzungen müssen für ein erfolgreiches Studium erfüllt sein. Auch die mentale Gesundheit ist eine Grundlage, auf der ein Studium absolviert wird. Dieses Thema zählt immer noch zu den gesellschaftlichen Tabus und wird sehr häufig einfach stillschweigend dahin genommen. Betroffene, welche sich unter dem aktuellen Leistungsdruck einreden, dass es ihnen doch nicht schlechter ginge als anderen Menschen „mit wirklichen Problemen“, Familienangehörige, die die Symptomatik mentaler Erkrankungen nicht erkennen oder auch gerne mal als „neumodische Erscheinung“ und Faulheit abtun. Nicht nur in Zeiten einer weltweiten Pandemie spielt die mentale Gesundheit eine große Rolle im Leben aller, aber genau jetzt steigt die psychische Belastung in den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen stark an.
Der studentische Alltag hat sich seit März 2020 drastisch verändert, vor allem jetzt, da Präsenzveranstaltungen komplett auf Eis liegen, verbringen viele Student*innen ihre Zeit zu Hause. Onlinelehre, ein virtueller Hörsaal, manchmal bis zu 200 Teilnehmer*innen gleichzeitig an einem Ort, die gemeinsam dasselbe Ziel verfolgen und dennoch fühlen sich viele einsam. Der reale Kontakt zu den Kommilitonen bleibt auf der Strecke und Absprachen werden meist auch nur per Mail oder über einen WhatsApp-Chat getroffen. Wer aktuell allein lebt, lebt abgeschottet. Doch auch die Belastung, über längeren Zeitraum mit der Familie oder den Mitbewohner*innen auf engen Raum zu leben, darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Vereinsamung, Überforderung, Existenzängste, in jeder erdenklichen Lebenslage herrscht Stress, welcher den ultimativen Grundstein für psychische Erkrankungen legen kann. Nicht alle Student*innen sind für das Lernen in den Hybrid-Semestern gemacht. Die Vielfalt der Lerntypen ist groß und demnach bedarf es ebenso vielfältige Lernumgebungen, um die bestmöglichen Ergebnisse am Ende einer Prüfungsphase zu erzielen, doch auch dieses Setting ist derzeit nicht gegeben und schränkt das Leistungsvermögen ein. Sind Studenten überhaupt dazu in der Lage, ihr volles Potenzial auszuschöpfen? Und wer hilft am Ende denjenigen, die keine Kapazitäten mehr besitzen, sich selbst zu helfen? Hochschulen und Universitäten bieten teilweise Gesprächstermine für Betroffene an, Abgabetermine für Studienleistungen werden verschoben, doch reicht das aus?
Solidarität zeigen. Von jungen Menschen und Student*innen wurde erwartet, dass sie auf einiges in ihrem Leben verzichten. Vor allem in den letzten Wochen und Monaten fühlt sich dieser Teil der Bevölkerung ungesehen und ungehört. Irgendwann stellt sich natürlich die Frage, ob sich überhaupt jemand für den Nachwuchs verantwortlich fühlt. Der Berufseinstieg stellt sich für Auszubildende und Hochschulabsolvent*innen in Zeiten der Pandemie als besonders schwer heraus. Arbeitgeber können und wollen niemanden einstellen, die finanzielle Unterstützung vom Staat bleibt aus oder kommt zu spät. Am Ende ist der einzige Ausweg ein weiterer Studienkredit. Sind Student*innen nun gezwungen, sich zu verschulden oder wird es bald ein Hilfsangebot geben? Ebenso verlieren Studenten*innen die Lust am Studieren, sie brechen ab, da Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen zu viel abverlangen. Die Zukunft der Studierenden steht sozusagen in den Sternen. Keiner kann genau sagen, in welche Richtung sich Gesellschaft und Politik bewegen werden. Es lässt sich sagen, das studieren sich aktuell gar nicht wie studieren anfühlt, eher so, als würde man immer noch darauf warten, dass der ganze Spuk bald ein Ende hat und es dann erst wieder so richtig mit dem Studentenleben losgeht. Wir hoffen sehr, dass sich unser aller Situation zu etwas Besseren ändert und unsere bestehenden Sorgen und Ängste bald auf Gehör und Hilfe treffen.
PS: Hey du! Falls es dir während der Pandemie geht wie uns und du mit deinem Studium überfordert bist oder es dir vielleicht einfach nicht gut geht, denk immer daran: Du bist nicht allein! Wir alle durchleben diese schwere Zeit gemeinsam und wir sind alle füreinander da! 🙂
Manchmal kann oder möchte man sich Familie, Freunden oder Bekannten nicht anvertrauen. Umso unfassbar hilfreich kann gelegentlich auch die Perspektive einer außenstehenden Person sein. Vielleicht möchte man sich auch einfach nur etwas von der Seele reden. Wenn es dir so geht, findest du nachfolgend noch ein paar Anlaufstellen des Sorgentelefons.
Telefonseelsorge:
- Kosten: kostenfrei
- Tel.: +49 800 111 0 111, +49 800 111 0 222 oder +49 116 123
- Sprechzeiten: rund um die Uhr
- Webseite: www.telefonseelsorge.de
Deutsche Depressionshilfe Info-Telefon:
- Kosten: kostenfrei
- Tel.: +49 800 33 44 5 33
- Sprechzeiten: Mo, Di, Do – 13.00 bis 17.00 Uhr; Mi und Fr – 08.30 bis 12.30 Uhr
- Webseite: www.deutsche-depressionshilfe.de
Chat-Angebote:
- Chat der Telefonseelsorge https://online.telefonseelsorge.de/
- Nummer-gegen-Kummer Email Beratung https://www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendtelefon.html#log_in
- Email Beratung des SeeleFons seelefon@psychatrie.de
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