URBAN GARDENING
URBAN GARDENING
»In Zeiten der immer ungenierteren Vermarktung öffentlichen Raums ist der Anspruch, eben dort Kartoffeln zu pflanzen – und zwar ohne Eintrittskarte – geradezu revolutionär«.
Sabine Rolf, Berliner Zeitung 05.04.2011
Text: Lena Weber
Inmitten europäischer Städte wird Biogemüse angebaut, altes Saatgut reproduziert, eigene Naturkosmetik hergestellt. Es verändert sich die Beziehung zwischen öffentlich und privat. Der Begriff der neuen Öffentlichkeit wird sensibilisiert. Eine Verschiebung der Statussymbolik hin zu postmateriellen Werten und Lebensstilen wird sichtbar: Die Urban Gardening Bewegung ist Ausdruck einer solidarischen Stadtgesellschaft. Eine Suche nach neuen Formen und Orten der Gemeinschaft. Brachflächen werden verwandelt und Orte zu neuen Räumen umgestaltet.
Anhänger des Urban Gardening möchten lieber selber machen – Eigenes erschaffen und stellen sich so gegen den Konsum des komplett Vorgefertigten.
Der Mangel an Material führt durch die gemeinsame Nutzung und den Austausch zu Erfinderreichtum, eine Fülle des Gebens und der Gegenseitigkeit. So findet ein großer Wissensaustausch statt z.B. in Form von Workshops. Es gilt die Maxime: Alle profitieren vom Teilen des Wissens. Eben durch die Weitergabe von Wissen wird wieder weiteres Wissen freigesetzt. Der Prozess ist also nie abgeschlossen und setzt sich fort. Die zentrale Leitidee in Gemeinschaftsgärten ist der Open-Source Gedanke. Das Erschaffen einer Wissensallmende (engl. Commons), sie bezeichnet gemeinsames Gut der modernen Informationsgesellschaft.
„Gemeinsame Nutzung statt privates Eigentum, lokale Lebensqualität statt ferngesteuerter Konsum, Miteinander statt Vereinzelung.“
Christa Müller
Als wichtige politische Dimension sieht die Urban Gradening Bewegung die Mischung von Herkünften, Generationen und Milieus. Fokussiert wird ein gemeinsames Ziel: Die Entwicklung einer Grünen Stadt.
Öffentliche Räume sollen verteidigt werden, Ressourcen gemeinsam genutzt und mehr Engagement in der gemeinwohlorientierten Gestaltung passieren.
Wichtig scheint für das Gelingen jedoch das Nichtvorhandensein einer Definition des zu „bespielenden“ Ortes. Ein Chaos suggeriert vielmehr die ausdrücklich erwünschte Mitarbeit und Mitgestaltung eines Geländes. Die Aufforderung zur Teilhabe. Vorgefertigte Rahmenbedingungen bauen vielmehr Hemmschwellen auf als ab und wirken antipartizipatorisch.
Im Interview mit einem aktiven Mitglied im Nachbarschaftsgarten e.V. Leipzig wird klar, was eine solch grüne Oase in der Nachbarschaft für Sie und ihre beiden Kinder bedeutet. Sie genießt die Möglichkeit zu Gärtnern und gleichzeitig integriert in eine Gemeinschaft zu sein. Der Nachbarschaftsgarten ist für Sie eine Begegnungsstelle und Treffpunkt. Außerdem wären fast alle Gärtner Laien, man lerne gemeinsam und teile das Wissen. Es sei hier viel Raum: „Natur, Ruhe und Grün“. Die Beteiligung an verschiedensten Aktionen im Garten, wie jetzt zum Erhalt der Nachbarschaftsgärten in Leipzig Lindenau ist selbstverständlich, so das Mitglied: „Alleine würde ich solche Projekte nie stemmen, aber in so einer Gemeinschaft ist das möglich“.
Mitglieder des Vereins zahlen jährlich einen Geldbeteitrag, das sogennannte „Nasengeld“. Auf ca 6000qm gärtner hier ungfefähr 80 aktive Mitglieder plus Kinder. Die Arbeit im Verein erfolgt ehrenamtlich.
Die Nachbarschaftsgärten in Leipzig bleiben hoffentlich bestehen. Zahlreiche Aktionen laufen. Mitunter eine Petition, welche unterzeichnet mit 5.500 Unterstützern dem Oberbürgermeister Burkhard Jung übergeben wurde.
Weitere Informationen zum Thema Urban Gardening finden Sie in unten stehenden Links und Literaturhinweisen.
LINKS
http://www.nachbarschaftsgaerten.de/
Am Anfang war der Nachbarschaftsgarten (Dokumentarfilm)
https://www.youtube.com/watch?v=sXta0iWtF4Y
Sprechende Gärten – Die Berliner Urban Gardening Bewegung (Dokumentarfilm)
https://www.youtube.com/watch?v=1OA7APJaDXg
http://anstiftung.de/jdownloads/Publikationen/Christa_Mueller/Mueller_Paech.pdf
http://anstiftung.de/publikationen/buecher
LITERATUR
Baier, Andrea; Müller, Christa und Werner, Karin (2013): Stadt der Commonisten. Neue urbane Räume des Do it yourself, transcript Verlag, Bielefeld
Müller, Christa (2011): Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt, oekom Verlag, München
Müller,Christa (2002): Wurzeln schlagen in der Fremde. Internationale Gärten und ihre Bedeutung für Integrationsprozesse, oekom Verlag, München
Baier, Andrea; Müller, Christa und Werner, Karin (2007): Wovon Menschen leben. Arbeit, Engagement und Muße jenseits des Marktes, oekom Verlag, München
Bennholdt-Thomsen, V.; Holzer, B. und Müller, Christa (1999): Das Subsistenzhandbuch. Widerstandskulturen in Europa, Asien und Lateinamerika (gemeinsam mit V), promedia Verlag, Wien
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.