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KulturCorona – was nun? (Teil 2)

leerer Theatersaal mit zugezogenem gelblichen Vorhang

Unser zweiter Interviewpartner nach Stefanie Kobelt ist der Schauspieldirektor des Theaters Altenburg Gera in Ostthüringen. Das ist eine ganz andere Seite aus der Kulturbranche, doch selbst zwischen den Theatern und Schauspieler*innen gibt es gravierende Unterschiede in der Betroffenheit von Corona. Welche das sind und wie sie trotz Corona positiv auf sich aufmerksam machen, erzählt euch Manuel Kressin.

Manuel Kressin – Schauspieldirektor des Theaters Altenburg Gera (Kristopher Kempf).

1. Wie haben Sie mit dem Theater Altenburg Gera auf die Krise reagiert?

Der Protest bleibt hauptsächlich aus, weil wir [Anm. d. Red. als öffentlich unterstütztes Haus] sagen: „Wir sind gerade nicht von der Existenz bedroht als Institution.  Es wäre gerade etwas ungerecht, wenn wir jetzt laut schreien. Da gibt es andere Branchen, die wirklich vorm Existenz-Aus stehen. Trotzdem gab es einen Aktionstag der Theater, an dem wir uns auch beteiligt haben, was aber ein positives Zeichen sein sollte „Wir sind Da!“.

Für uns ist halt die Tragödie, nicht spielen zu können, das Publikum nicht erreichen zu können. Ich denke, dass es auch einen großen sozialen Schaden geben wird, weil die Leute keine gemeinschaftlichen Erlebnisse mehr haben. Was mich jedoch am meisten ärgert ist, dass Theater eben als reine Freizeitbeschäftigung betrachtet wird und ich halte es für einen Teil der Bildung. Also auch einer moralischen Bildung, selbst wenn wir eine dusslige Komödie spielen wie Charlies Tante, ist ja trotzdem dieses gemeinsame erleben und gemeinsam eine Draufsicht zu haben auf eine Geschichte, was auch sozial bildenden Charakter hat. Das ist das, was ich denen hauptsächlich vorwerfe, dass das nicht erkannt wird und so gut wie nicht erwähnt wird.

2. Deshalb versucht ihr auch digital das Publikum zu erreichen. So ist seit der Weihnachtszeit das Märchen Rumpelstilzchen in der ARD Mediathek verfügbar, welches vor allem für Kinder ist. Doch auch im Sommer habt ihr nur wenige Tage nach dem Ende des harten Lockdowns ein Sommertheater im Freien für die Zuschauenden auf die Bühne gezogen. Wie hat sich hierbei durch die Pandemie Ihre Arbeit verändert?

Das Streaming soll kein Ersatz für die normale Vorstellungen sein. Große Veränderung waren gerade beim Sommertheater [Anm. d. Red. Open Air Theater mit kleiner Bühne] letztes Jahr, dass wir das sehr schnell aus dem Boden stampfen mussten. Wir sind ständig am planen, was ist, wenn wir nächste Woche öffnen können. Was ist, wenn wir die Woche drauf öffnen können und so hangeln wir uns durch. Das ist schon so ein bisschen anders, dass man sehr schnell produktiv sein muss. Normalerweise planen wir ja anderthalb Jahre vorher. Dann werden Verträge gemacht, es entwickelt ein Regieteam ein Konzept und das muss jetzt alles sehr schnell gehen, was auch zur Folge hat, dass wir sehr viel hauseigen versuchen zu produzieren, was wieder für die freischaffenden Kolleg*innen ein bisschen doof ist. Wir müssen jetzt innerhalb von 8 Tagen ein Programm erstellen. Wir haben jetzt nicht die Zeit, dass da noch jemand von außerhalb kommt.
Das Rumpelstilzchen ist ein Märchen, was ursprünglich gar nicht geplant war. Normalerweise machen wir das erste Märchen in Altenburg und es geht in der nächsten Spielzeit nach Gera und in Altenburg wird das nächste Märchen produziert. Da wir das vorige Mal Schneewittchen und die Sieben Zwerge hatten, war einfach klar, dass wird unter Corona-Bedingungen einfach nicht machbar sein. Also, die Zwerge zu reduzieren kam dann auch mal etwas scherzhaft vom Intendant: „Dann machen Sie doch Schneewittchen und der Zwerg.“ Aber wir verarschen doch jetzt hier nicht die Kinder. Wir mussten gucken, was ist ein Märchen, was wir relative zügig, weil wir ja auch nur 3 ein halb Wochen Probenzeit hatten dafür, weil es so schnell gehen musste und alles andere als geplant war und unter Corona-Bedingungen möglich ist und da kamen wir auf Rumpelstilzchen. Das war dann ein Wunsch des Kultusministers Hoff aus Thüringen, der eben sagte, er möchte gerne diesen Bildungsauftrag der Theater erfüllen und hat sich deshalb mit dem MDR in Verbindung gesetzt. Das war auch eine große Freude für die Schauspieler*innen, die vorher so zwei Geisterpremieren hatten und dann ganz glücklich waren. Aber es fehlt gerade im Märchen dieser Kontakt mit den Kindern.“ Wenn man sich das in der Mediathek anguckt, sieht man, da wären jetzt eigentlich Reaktionen gekommen, doch es ist inszeniert.“ Wir sind immer wieder auf der Suche nach Angeboten, die jetzt direkt auch für online gedacht sind. „Altenburg Tag und Nacht Facebook- Soap- Parodie“ haben wir gemacht, die immer so 5 Minuten ging und davon 8 Folgen oder ein Online-Leseportal über Zoom, sowie Quizshows. Wir wollen nicht unsere Stücke abspielen, aber trotzdem präsent sein und die Menschen unterhalten und bilden.

3. Welche Resonanz gab es auf das Rumpelstilzchen?

Ich kriege seitdem sehr viele Bewerbungen von anderen Schauspieler*innen, die das gesehen haben und gesagt haben: „Oh, ihr macht coole Sachen! Ich wäre gern Teil des Teams.“ Von anderen Theatern kam auch Rückmeldungen wie „Da habt ihr ein schönes Märchen gemacht!“ Über die Weihnachtsfeiertage haben es viele Zuschauer geguckt. Wir haben auch eine große Solidarität des Publikums. Viele haben die ungenutzten Karten einfach behalten und meinten, sie kaufen dann Neue, wir spenden für euch.

4. Also, der Aufwand hat sich gelohnt?

Ja, das schon. Sollte jedoch kein Dauerzustand sein, denn das Live-Erlebnis ersetzt es einfach nicht.

5. Das klingt so als können Sie sich nicht vorstellen, dieses Format in den normalen Spielplan einzubauen. Warum genau?

Bei uns erleben Menschen, mit denen sie sonst vielleicht nichts zu tun haben, gemeinsam etwas live. Das ist der Kern der Theaterarbeit, es ist ein Ort der Begegnung. Momentan arbeiten wir gerade an einem Projekt, dass wir aber auch schon ohne die Pandemie in Planung hatten. Wie können wir die Digitalität mehr ins Theater bringen, dass ist es nicht sowas altes traditionelles hat. Vor allem auch um junge Leute zu gewinnen.

Vorteil von der Dramaturgin und mir ist, wir haben dadurch, dass wir sehr viel Zeit für Projektplanung haben wie auch die anderen Theater, die Möglichkeit Kooperationen anzugehen. Terminlich können wir leider noch nichts festlegen und warten.

6. Diese Sichtweise ist im Hinblick auf die schlimme Lage sehr schwer. Dennoch möchte ich darauf eingehen: Welche positiven Dinge konnten Sie aus der Krise ziehen?

Wir sind bei unserem Theater immer sehr darauf bedacht, eine große Kommunikation mit der Belegschaft zu führen. Während der Krise haben wir sie immer wieder auf den Laufenden gehalten und unsere Überlegungen geteilt. Und da merke ich, dass so ein Zusammenhalt dann doch entsteht und auch Ideen aus dem Ensemble kommen, wie das Online-Leseformat. Das ist natürlich sehr schön, weil man ansonsten oft gewartet hat. Es hat nochmal so ein bisschen was geweckt und auch ein Zusammenrücken zwischen Leitung und Belegschaft gebracht, dass da eben auch Vertrauen ist und die auch wissen, „Wir müssen da jetzt zusammen durch.“ Das ist etwas, was man als „irgendwie positiv“ in dem Ganzen noch sehen kann.

7. Abschließend möchte ich die Frage stellen, welche Unterstützung Sie sich in dieser Zeit wünschen würden.

Ich würde mir auf alle Fälle für die freischaffenden Kolleg*innen wünschen, dass eine Lösung der Finanzierung gefunden wird, eine Überbrückung, die einen Sinn ergibt. Doch ganz ganz wichtig ist mir das Bewusstsein in der Politik.

Das ganze Interview gibt es zum Nachsehen hier.

Mit diesen zwei Artikeln haben wir unterschiedliche Perspektiven auf die Kulturbranche bekommen, die durch Corona sehr zu kämpfen hat. Sie zeigen, dass man nicht alle in den Topf der „Existenzbedrohten“ werfen kann und in erster Linie nicht nur finanzielle Unterstützung wünschenswert wäre, sondern eine Wertschätzung seitens der Politik und Gesellschaft. Genau das wollen wir, Vanessa Land und Jasmin Bauch, auch mit dieser Reihe bezwecken. Wir möchten sie stellvertretend für die vielen Tätigen aus der Kulturbranche wertschätzen und ihnen eine Aufmerksamkeit bieten. Schließlich ist das etwas, woran alle Menschen mithelfen können und so der Kultur den Rücken stärken „Zusammen schaffen wir das!“, wie die Kultur trotz Pandemie versucht, uns eine Abwechslung im lästig werdenden Alltag zu bieten. Wir bedanken uns recht herzlich für die Zeit für die Interviews und hoffen, ein Stück mehr Anerkennung für diesen Bereich zu erlangen.

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