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KulturCorona – was nun? (Teil 1)

Durch Corona hat sich das Leben aller Menschen mehr oder minder verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich den neuesten Blockbuster im Kino anschaut und sich danach noch auf ein paar Bier in der Kneipe trifft. Diese Einschränkungen hinterlassen natürlich Spuren und neben all der Frustration über wegfallende Kulturangebote, kämpfen viele um die Existenz jener Einrichtungen. Doch was können wir aus diesem Dilemma lernen? Wir haben mit Stefanie Kobelt und Manuel Kressin gesprochen um zu erfahren, wie Sie mit der Situation umgegangen sind und welche positiven Aspekte sich abseits der Krise ergeben haben.

Stefanie Kobelt, Leitung des finnischen Dorfes (Leipziger Weihnachtsmarkt)


1. Viele haben auf Ihre prekäre Situation aufmerksam gemacht und Protestaktionen ins Leben gerufen. Wie hat Ihre Branche bzw. Sie mit dem Weihnachtsmarkt Leipzig auf die Krise reagiert?

Wir haben immer wieder Rücksprache mit dem Marktamt gehalten, sowie mit dem Gesundheitsamt. Es war schwierig in der Zeit irgendwelche konkreten Aussagen zu kriegen, ob der Weihnachtsmarkt überhaupt stattfindet und wenn, unter welchen Bedingungen. Es wurde überlegt, den Weihnachtsmarkt mit Zäunen abzusperren, dass Pässe online gekauft werden, sodass die Besucherzahl reduziert wird, dass der Markt nur bis 18 Uhr geht und kein Alkohol angeboten werden darf. All solche Sachen kamen auf, aber wir wussten bis kurz vor November eigentlich nicht, ob der Weihnachtsmarkt überhaupt stattfindet und erst dann kam die komplette Absage. Für uns als Firma stellte das eine große Schwierigkeit dar, weil wir finanziell von diesen Einnahmen abhängig sind. Wir haben zwar einen kleinen Webshop, der ist aber kaum bekannt und dementsprechend ist es sehr schwierig für uns, die Lagerkosten zu zahlen oder die Kosten für die laufenden Mitarbeiter*Innen wie mich.

2. Gerade in der Kulturbranche wurden viele Alternativen erarbeitet und umgesetzt. Inwiefern hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert und was mussten Sie dabei beachten?

Wir hatten überlegt einen Online-Rundgang durchs Weihnachtsdorf zu machen. Ob wir das irgendwie hinkriegen und dass wir dieses Weihnachtsgefühl über unsere Website dann an die Kunden und Kundinnen vermitteln können, aber das war sehr schwierig. Erst Recht weil einfach auch die finanziellen Mittel dafür nicht da waren. Wir haben natürlich, wie fast jedes Unternehmen, unsere ganze Energie in den Webshop gesteckt und da sind wir auch immer noch dabei und haben einfach so gut wie alle Produkte online gestellt, die wir auch so auf dem Markt verkaufen würden. Es gab auch eine ganz kurze Überlegung, ob wir mit Lieferando zusammenarbeiten und auch den Flammlachs irgendwo frisch zubereiten können, um ihn dann an die jeweiligen Kunden und Kundinnen liefern zu können. Das war logistisch eine große Herausforderung und mit wenig Geld  leider nicht umsetzbar. Dementsprechend blieb uns nur die Perspektive, den Webshop mehr auszubauen. Hierfür haben wir uns „Finnland in der Box“ einfallen lassen. Das ist eine Weihnachtsbox und Deluxebox gewesen, mit extra zusammengestellten Artikeln: einen Glögi, einen kleinen Weihnachtselfen, Weihnachtsschokolade, Moltebeermarmelade, also typische Produkte, auch von unserer Firma und aus Finnland. Das ziehen wir jetzt auch weiterhin durch und es wurde auch sehr gut angenommen.


3. Haben Sie das Gefühl dadurch mehr Aufwand betrieben zu haben?

Für mich persönlich als Leitung des finnischen Weihnachtsdorfes war es wesentlich entspannter keine 80 MitarbeiterInnen zu koordinieren, die ganzen Zuliefersachen zu koordinieren. Ich hatte auch Stress, um Gottes Willen, aber es war  Stress mit geregelten Arbeitszeiten. Von 18 Stunden zu 8 Stunden Stress macht schon einen großen Unterschied. Natürlich muss man auch sagen, dass die Einnahmen durch den Webshop-Verkauf sich auf keinen Fall irgendwie mit den Einnahmen in so einer Weihnachtsmarktsituation vergleichen lassen. Das sind schon sehr große finanzielle Einbußen, die wir trotzdem gemacht haben.

4. Wie war die Resonanz darauf? Finden Sie, dass sich der Aufwand gelohnt hat?

Definitiv! Ich habe selbst die Webshop-Pakete gepackt im November/Dezember und es waren Unmengen an Bestellungen, die reinkamen. Natürlich vor allem Alkohol, da Weihnachten auch die Zeit ist, wo die Menschen gerne Mal ein Gläschen trinken. In der Coronazeit hatte ich auch das Gefühl, dass es noch mehr zugenommen hat. Dementsprechend muss ich sagen, dass gerade die Flaschenbestellungen, was den Glögi anbelangt, schon sehr häufig und sehr viel waren. Aber auch andere Sachen: Rentierfelle, Decken, Bücher.

5. Würden Sie die Alternativen auch nach der Pandemie aufrechterhalten?

Es war tatsächlich schon vorher unser Plan, dass wir weiter unser Onlinegeschäft ausbauen wollen und natürlich dann durch die Pandemie gezwungenermaßen unser kompletter Fokus darauf lag, was aber auch wirklich gut ist. Jetzt sind wir gerade dabei unsere Website umzugestalten und wir werden trotzdem auch weiterhin den Onlineshop wesentlich mehr pushen, damit einfach auch die Bekanntheit über die Weihnachtsdörfer hinaus geht. Es ist auch einfach sehr schön, dass Kunden aus ganz Deutschland bestellen können, ohne dass sie dafür in ein Weihnachtsdorf von uns gehen müssen. Die sind ja immer nur an drei Orten und so können die KundInnen ganzjährig und quasi egal wo sie sind auf unsere Produkte zugreifen. Das ist schon sehr sinnvoll.

6. In den letzten Monaten machte sich deutlich bemerkbar, dass die Zahl der Infizierten schnell wieder in die Höhe steigen kann, wenn die Maßnahmen frühzeitig gelockert werden. Gibt es in Anbetracht dessen bereits Überlegungen zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes in diesem Jahr? Falls ja, wie sehen jene aus?

Bei uns ist tatsächlich noch nicht klar, ob dieses Jahr Weihnachtsmärkte stattfinden oder nicht. Das wird sich wahrscheinlich auch bis Ende des Sommers/Anfang des Herbstes nicht entscheiden. Ich sehe das Ganze noch ein bisschen skeptisch und auch die Firma geht lieber vom Worstcase aus, als sich jetzt Hoffnungen zu machen. Wir werden alles soweit vorbereiten, sodass die Weihnachtsmärkte stattfinden können und wir werden natürlich auch versuchen, dass falls z.B Hygienekonzepte wie letztes Jahr gefordert werden, wir dann nicht irgendwann da stehen und sagen „Oh mein Gott, damit haben wir jetzt gar nicht gerechnet!“. Ich muss aber auch sagen, dass ich nicht glaube, dass wir dieses Jahr Weihnachtsmärkte haben werden. Also nicht in so einem normalen Rahmen, wie wir es aus 2019 gewohnt sind. Wenn, dann wird es mit Hygieneauflagen und Zugangsbeschränkungen laufen oder vielleicht auch mit einem Alkoholverbot, was für die Gastronomen furchtbar wäre. Die Weihnachtsmärkte sind einfach an den Alkohol gebunden und dementsprechend wäre das auf jeden Fall wirtschaftlich ein großes Problem.

7. Inwiefern hat sich für Sie die Kulturbranche durch Corona verändert?

Ich muss sagen, dass es recht still geworden ist. Die Weihnachtsmärkte haben gefehlt, jetzt zb ist gerade Karnevalszeit und da habe ich einen Artikel gelesen, wo man 1-2 Menschen in einem Kostüm draußen rumlaufen sieht, aber mehr auch nicht. Ich finde tatsächlich, dass das Wegfallen der Kultur hart auf die Mentalität der Menschen schlägt. Also, dass man irgendwie nichts mehr so richtig hat, woran man sich erfreuen kann. Selbst der Kneipenbesuch bleibt aus, zumindest momentan noch. Das sehe ich als großes Problem, dass sich die Menschen einfach nicht wirklich mehr an sowas erfreuen können. Klar kann man viel Wandern und in die Natur gehen, aber trotzdem möchte man irgendwie mal wieder ins Theater gehen, ins Kino gehen, sich mal wieder mit ein paar Menschen auf ein Bier in der Kneipe treffen. Die Atmosphäre ist eine ganz andere und dass das alles wegfällt und gerade fehlt, sehe ich als große Problematik.


8. In Zeiten einer Krise ist der Zusammenhalt sowie die Unterstützung ein enorm wichtiger Aspekt. Hierfür hat der Staat beispielsweise Unternehmen, Selbstständigen und Vereinen einen Corona-Zuschuss zugesprochen, auf den bis heute noch zahlreiche Menschen warten. Inwiefern wurden sie unterstützt und was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Ich weiß von meiner Firma, dass wir momentan noch keine Entschädigungszahlung oder sonstige Ausfallzahlungen bekommen haben, für die Einnahmen, die wir gemacht hätten während der Weihnachtsmarktzeit oder prozentual irgendwas davon gekriegt hätten. Ich weiß, dass meine Firma von der finnischen Muttergesellschaft Unterstützungsgeld bekommen hat, aber vom finnischen Staat, also nicht aus Deutschland. Das hat allerdings weniger was mit Corona zu tun, sondern eher damit, dass kleine Unternehmen einen Entwicklungspush gekriegt haben, demnach eine kleine Finanzspritze. Von der deutschen Seite zuckt sich hier Niemand, da haben wir auch noch nichts gehört. Anfragen kann man völlig vergessen, am Telefon kommt man nicht durch, per Email kriegt man keine Antwort. Von meinem Zweitjob aus der Gastro kann ich sagen, dass die Bar die Novemberzahlung bekommen hat, jetzt im Februar. Die Dezemberzahlung steht noch aus und das sind ja auch nur die prozentualen Anteile. Den Januar konnte man noch nicht mal beantragen und wir sind jetzt im Februar. Ich weiß, dass da viel Privatkapital fliest, damit die jeweiligen Kneipen und Gastronomen sich über Wasser halten können, aber wenn da kein Startkapital wäre, würde es sehr schlecht aussehen. Ich würde mir wünschen, dass die Mühlen sich nicht so langsam drehen würden, sondern dass da wirklich auch Mal die Not gesehen wird und auf solche Sachen wie die Mieten verzichtet wird.

9. Zuletzt habe ich noch eine Frage, die in Anbetracht der vielen negativen Auswirkungen durch Corona schwierig zu beantworten scheint. Konnten Sie dennoch positive Dinge aus der Krise ziehen?

Für mich persönlich war es natürlich wesentlich angenehmer ohne diesen Weihnachtsmarktstress. Ansonsten muss ich sagen, dass wir die Fokussierung jetzt auf den Webshop gelegt haben und auch auf die digitale Ebene gezogen sind. Wir werden auch die „Finnland in der Box“ Idee weiterführen, sodass wir auch bald eine Frühlingsbox rausbringen. Die wird im März anfangen zu laufen, sodass man sie bestellen kann und wir sozusagen saisonal Boxen erstellen. Die Stadt war auch bereit mit der Miete für den kompletten Augustusplatz runter zu gehen, weil sie gesagt haben, dass wir wahrscheinlich mit Hygieneauflagen nicht so viele Gäste haben werden und nicht so viel einnehmen werden wie sonst. Dementsprechend gehen wir mit der Pacht, also mit der Mietzahlung für den Augustusplatz für den Zeitraum, runter. Sie hatten uns auch Zuschüsse versprochen, für Desi oder den Wachdienst. Ob die gekommen wären weiß man nicht, aber sie haben es zumindest schonmal angebracht. Das war auf jeden Fall schön zu hören, dass man nicht so ganz im Regen stehen gelassen wird und dass unsere Firma sich weiterentwickelt hat. Also es gibt tatsächlich ein bisschen was Positives, aber man freut sich natürlich, wenn man irgendwann wieder zur Normalität zurückkehren kann.

Das Video zum Interview findet ihr unter folgendem Link: https://medien.hs-merseburg.de/m/360bda027077815b348ed785c4e970f14b11c899ad60ff3afaa994b2ef284ac886b692e27dc2380ad8ed05ceaaf9af96c51a883125e69ed42099468fa926e182

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