Eine Anleitung zum Stolpern
Im Sommer 2015 wurde das Projekt der Stolpersteine in München endgültig verboten. Schon 2004 hat sich der Stadtrat gegen die Erinnerungstafeln ausgesprochen, da die Steine mit Füßen getreten werden und sie einfach zu beschädigen sind, so die Begründung. Doch hauptsächlich bezog sich der Stadtrat auf Charlotte Knobloch, Ehrenbürgerin von München und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München. Sie ist die größte Gegnerin des Stolperstein-Projekts.
Während in Berlin beispielsweise schon über 6000 dieser bronzenen Platten liegen, wurden 2004 verlegte Steine in München noch am Abend der Verlegung vom Tiefbauamt herausgerissen, samt der Zementplatte in der sie eingebettet waren.
Doch was sind Stolpersteine eigentlich genau?
Ganz konkret sind es 10x10x10 cm große Blöcke, die hauptsächlich aus Beton bestehen. Auf der oberen Fläche ist eine bronzene Platte angebracht, in der die Informationen über das Opfer des Nationalsozialismus eingeprägt sind.
Das Projekt wurde Anfang der 1990er Jahre von dem Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Anfangs verlegte er seine Stolpersteine in Köln und Berlin. Daraus entwickelte sich über die Jahre das weltweit größte dezentrale Mahnmal.
Doch was müsst ihr beachten, wenn ihr selbst zu diesem Mahnmal beitragen möchtet?
Hier eine kleine Anleitung:
1. Schritt: Die Idee
Ihr braucht natürlich zuerst eine Person, die ihr mit einem Stolperstein ehren möchtet. Vielleicht werdet ihr durch eine Initiative in der Nachbarschaft angeregt, habt selbst eine Person in eurer Familie, die zum Opfer des Nationalsozialismus wurde, etc. Die Möglichkeiten für eine Inspiration sind unbegrenzt.
2. Schritt: Anmeldung der Verlegung bei Gunter Demnig
Dieser Schritt sollte sehr früh erfolgen, da Gunter Demnig jeden Stein selbst verlegen möchte und in einer Tour natürlich nicht quer durch Deutschland fährt. Viel mehr werden Verlegungen in einer Region gesammelt und dann in einer Tour abgearbeitet. Bei frühzeitigem Einreichen einer Anmeldung, kann die Planung schneller und einfacher vonstatten gehen.
3. Schritt: Die Recherche
Bei diesem Schritt tragt ihr Informationen über das Leben der Person zusammen. Hierbei ist es natürlich wünschenswert, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, um eine lückenlose Biografie zu erhalten. Manchmal ist das jedoch nicht umsetzbar, da es beispielsweise wenige Quellen über diese Person gibt. Dann solltet ihr eure Quellen zumindest auf folgende Informationen genau prüfen:
1. Der Name (bei Frauen auch der Geburtsname)
2. Das Geburtsjahr
3. Das Deportationsdatum
4. Das Konzentrationslager, in dem die Person war (möglicherweise auch Gefängnis)
5. Das Todesdatum
Diese Informationen sind deshalb besonders wichtig, da sie schlussendlich auf dem fertigen Stolperstein stehen.
Scheut euch nicht, nach erfahrenen Einrichtungen in eurer Nähe zu suchen, die euch bei der Recherche helfen können! Häufig kennen sie Kniffe und Tricks, von denen ihr noch nie etwas gehört habt.
5. Schritt: Stolpersteinverlegung vorbereiten
Hier gibt es auch noch einmal ein paar Dinge zu beachten. Die bereits oben genannten Daten müssen an Gunter Demnigs Büro geschickt werden, wo diese noch einmal überprüft werden, bevor es zur Produktion des Steines kommt. Jeder Stein wird von einem Mitarbeiter Gunter Demnigs handgefertigt, deshalb muss auch hier genügend Zeit eingeplant sein.
6. Schritt: Verlegung
Schließlich ist es dann so weit: Gunter Demnig kommt und setzt den Stein in die Erde. Den genauen Ort sollte man ebenfalls schon vorher festgelegt haben, denn auch hier gibt es einige Dinge zu beachten. Die Steine werden hauptsächlich vor dem letzten frei gewählten Wohnort der Opfer verlegt. Hier sollte er an der Stelle liegen, wo die ehemalige Haustür war und nicht vor der aktuellen.
7. Schritt: Eine Gedenkfeier
Dieser Schritt ist natürlich optional, ist aber für alle Beteiligten und eventuelle Nachkommen ein würdiger Abschluss. Hier könnt ihr als Initiatoren euer Projekt vorstellen und das Leben der Opfer noch einmal erzählen und würdigen.
In Europa liegen schon an vielen verschiedenen Orten in vielen Städten und Ländern Stolpersteine. Inzwischen sind es 56.000 Steine. Also 56.000 Opfer, die durch das Stolpersteinprojekt nicht vergessen wurden.
Charlotte Knobloch aus München will die Münchner Opfer durch eine Gedenktafel ehren, die in einem Flur des Gebäudes der Israelitischen Kultusgemeinde aufgehängt werden soll. Hier finde Gedenken auf Augenhöhe statt, meint sie. Inwieweit es Gedenken ist, die Namen der Opfer auf eine Tafel zu schreiben und diese in einen Flur zu hängen, der nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist, darüber lässt sich streiten.
Sorgen wir lieber dafür, dass Gunter Demnig seine Arbeit weiterhin in ganz Europa verrichten kann, damit Opfer des Nationalsozialismus ihre Namen zurück bekommen.
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