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Back to the Roots – „Westbesuch“ zieht um

Ein Umzug zum Geburtstag! „Westbesuch“ feiert sein 10-jähriges Jubiläum an einem neuen Standort. Das bekannte Stadtteilfest lockte jahrelang tausende Besucher und Kulturschaffende auf die Karl-Heine-Straße im Leipziger Westen. Am 14.05.2016 fand der „Westbesuch“ zum zweiten Mal auf dem Güterbahnhof Plagwitz statt. Wie kam es zu dem Standortwechsel und welche Auswirkungen hat er? Diese Fragen klärt ein Blick hinter die Kulissen.

Neuer Wind für den Leipziger Westen

Heute floriert der Leipziger Westen. Noch vor zehn Jahren bot sich ein anderes Bild: Leerstehende Ladenflächen, marode Häuser, wenig Leben auf der Straße. René Reinhardt, Chef der Schaubühne Lindenfels, und kreative Köpfe wie Steffen Balmer setzten sich ein gemeinsames Ziel: Den Stadtteil lebendiger machen. Die Idee zum „Westbesuch“ war geboren. Das Straßenfest sollte ein Ort der Begegnung und des Austausches sein und verschiedene Generationen und Kulturen zusammenbringen. 2006 fand der erste Westbesuch statt. Ein Jahr später wurde der dazugehörige Verein Westbesuch e.V. gegründet. Im Fokus stehen Kunst, Kultur, Musik und der Trödelmarkt „Westpaket“ als fester Bestandteil des Festes. Trotz geringer Besucherzahlen etablierte sich der „Westbesuch“ und wird seitdem mehrmals im Jahr veranstaltet.

Die „Karli“ des Westens

Die Südvorstadt rund um die Karl-Liebknecht-Straße, kurz „Karli“, ist als Trendviertel Leipzigs bekannt. Alternative Läden, Kunst und Kultur verhalfen dem Quartier zum Aufschwung.
Seit 2009 zeichnet sich Ähnliches für den Leipziger Westen ab. Aus der verschlafenen Karl-Heine-Straße ist ein lebendiger Boulevard geworden. Nach Startschwierigkeiten in den ersten Jahren ist der „Westbesuch“ wie auch der Westen ein kulturelles Highlight Leipzigs. 2014 stiegen die Besucherzahlen beim „Westbesuch“ auf einen Rekord von 25.000. Das ursprüngliche Ziel der Aufwertung ist damit nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Viele Studenten, Geschäfte und Gastronomen haben im Westen ihre Zelte aufgeschlagen. Tendenz steigend.

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Buntes und Trödel…

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…auf dem „Westpaket“

Die Kehrseite des Aufschwungs

Mit dem Erfolg des „Westbesuchs“ geht eine Entwicklung einher, die als Gentrifizierung bekannt ist: finanziell stärkere Mieter werden angezogen vom kulturellen Mehrwert eines Viertels. Es folgen Sanierungen und Mieterhöhungen, wodurch Alteingesessene und Kulturschaffende häufig verdrängt werden. Das rasante Wachstum des „Westbesuchs“ veränderte nicht nur das Image des Leipziger Westens. Es zehrte zunehmend an den Initiatoren. Nur ein kleines Team mit einer Handvoll Mitgliedern kümmerte sich um die gesamte Organisation. Sicherheitsaspekte wie ausreichende Ordnungskräfte und Rechtliches wie die Prüfung der Gemeinnützigkeit blieben teilweise auf der Strecke. Die Kommunikation der Organisatoren mit zuständigen Ämtern und Gastronomen auf der Karl-Heine-Straße verlief häufig suboptimal. Das Großereignis „Westbesuch“ entfernte sich immer mehr von seinem ursprünglichen Konzept. Dies bewegte langjährige Unterstützer wie den Stadtteilladen Leipziger Westen dazu, sich davon zu distanzieren. „Der Westbesuch war am Ende einfach überreizt“, sagt Mitarbeiter Volly Tanner. „Unsere Aufgabe ist es, sensibel mit den Gegebenheiten umzugehen und einen gesunden Stadtteil zu entwickeln.“ 2015 entschied der Verein, den Veranstaltungsort zu wechseln und „Westbesuch“ neu auszurichten.

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„Westbesuch“ im Mai

Alles auf Anfang – Wiedergeburt „Westbesuch“

Thorsten Menhert von der Stiftung „Ecken Wecken“ und SPD Stadtrat Mathias Weber halfen bei der Wahl des neuen Standorts. Vereinfachte Sicherheitsbestimmungen und die Nähe zur Karl-Heine-Straße waren ausschlaggebend. Am 14. Mai fand „Westbesuch“ zum zweiten Mal am Güterbahnhof Plagwitz statt. „Man muss festhalten, dass der Verein nicht daran zerbrochen ist, sondern der neue Weg durch die Vereinsstruktur mitgetragen wird. Sie sind durch die Krise gewachsen,“ stellt Volly Tanner fest. Informations- und Essensstände, eine Bühne für Musik, Künstler und Initiativen sind genau wie das „Westpaket“ nach wie vor dabei. Mit dem Sprung von vielen tausend auf einige hundert Besucher werden die Organisatoren entlastet. Der „Westbesuch“ kann wieder zu dem werden, was er ursprünglich sein sollte: Ein überschaubares Stadtteilfest mit Raum für Engagement und neue Ideen.

Die Besucher des letzten „Westbesuchs“ sehen die Entwicklung gespalten. Viele freuen sich wieder ein Fest mit familiärem Charakter feiern zu können. Andere wünschen sich das Großevent auf der Karl-Heine Straße zurück.Der Güterbahnhof als Standort ist auf unbestimmte Zeit festgelegt. Ob der „Westbesuch“ künftig dort bleibt und wie seine Geschichte weitergeht, wird sich zeigen.

Von Julia Forchheim & Lena Giegerich

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