Der Biberpelz: ein belangloses Theaterstück
„Der Biberpelz“ ist eine sozialkritische Diebeskomödie von Gerhart Hauptmann und wurde zum ersten Mal 1893 aufgeführt. Am Abend des 26.02 wurde die Neuinszenierung unter der Leitung von Ulrike Arnold vom Publikum mit einem nicht enden wollenden Beifall gewürdigt. Ich habe allerdings den leisen Verdacht, es handelt sich hier um eine Corona-bedingte Entzugserscheinung. Hier also mein Verriss.
„Der Biberpelz“ handelt von der Familie Wolff, dessen Matriarchin Frau Wolff versucht mit ihrem einfach gestrickten Mann und ihren zwei faulen Töchtern über die Runden zu kommen. Aufgrund der schlechter werden wirtschaftlichen Situation wird sie zunehmend in die Kriminalität gedrängt. Nebenbei muss sich der bestohlene Herr Krüger mit dem Amtsvorsteher herumschlagen, der eher daran interessiert ist, den Sozialdemokraten Dr. Fleischer zu schikanieren.
Ich denke, jeder kennt das Gefühl, wenn man nach einer Theater-Vorstellung das Gebäude verlässt und für die nächsten paar Stunden nicht aufhören kann, über das Stück zu reden. Immer wieder fallen einem Dialoge oder Szenen ein, die einen scheinbar nicht loslassen wollen. Voller Begeisterung wird über die dargestellten Themen angeregt diskutiert. Es werden Interpretationen formuliert und Sichtweisen ausgetauscht. Die Energie der Schauspieler reißt einen förmlich mit und man kann gar nicht anders, als sich in ihr treiben zu lassen.
Wer auf der Suche nach einem solchen Erlebnis ist, sollte besser nicht in „Der Biberpelz“ gehen. Ich jedenfalls war enttäuscht. Ich kannte das Stück zuvor nicht und hatte daher auch keine großen Erwartungen. Mein Plan war es, ins Theater zu gehen, um hier zeitnah eine Rezension zu veröffentlichen. Und vermutlich hätte es auch geklappt, aber mir fiel es wirklich schwer, irgendetwas über „Der Biberpelz“ zu schreiben. Das Theater-Stück hat aus meiner Sicht aus drei Gründen nicht funktioniert.
Grund Nummer eins: Die Sozialkritik ist nicht mehr relevant. Preußen ist nicht mehr. Es gibt keine Sozialistengesetze. Dabei kann ich mir gut vorstellen, wie das Stück Wellen geschlagen haben muss – vor fast 130 Jahren. Das Kaiserreich zu kritisieren, ist ja schön und gut, aber was hat das mit unserer heutigen Gesellschaft zu tun? – nichts. Was also bleibt, ist die Kritik an der realitätsfernen Bürokratie, deren idiotischer Inkompetenz und langsamer, unsinniger Verfahren, die die Leute in den Wahnsinn treiben. Aber so wirklich auf den Punkt wurde dieser Aspekt auch nicht gebracht. Dafür fehlte einfach der Fokus. Themen wie Armut, Klassengesellschaft oder Kriminalität werden nur angeschnitten. Und etwas tatsächlich Neues, was diese Probleme auf innovative Weise beleuchten würde, gab es nicht. Also wer nach einer beißenden Sozialkritik sucht, ist hier fehl am Platz.
Grund Nummer zwei: Wenig Platz für Interpretation. Die Figur des Amtsvorstehers wird in seiner ersten Szene gezeigt, wie er mit einer Reichsflagge albern auf dem Tisch umher tanzt und dabei die Sozialistengesetze herunterbetet. Es ist von Anfang an klar, was er repräsentiert, aber falls es für den ein oder anderen minderbemittelten Zuschauer nicht offensichtlich genug war, wird es in einer späteren Szene von einer anderen Figur nochmal laut herausgebrüllt. Generell ist die Charakterisierung sehr oberflächig.
Grund Nummer drei: Die Komödie war nicht lustig. Was soll man noch anderes sagen? Erstmal; ich habe es nicht verstanden, wie man diesen Dialekt witzig finden kann. An der Sprechweise ist doch nichts komisch. Die Familie Wolff spricht eigentlich einen Soziolekt, die eingeschränkte Sprache der Ungebildeten und der Unterschicht. Das ist auch der Grund, warum Frau Wolff ihren Töchtern beibringt, dass Bildung das Wichtigste sei. Sich darüber lustig zu machen, ist weder clever noch geistreich oder besonders originell. Das ist buchstäblich auf der gleichen Ebene wie dieser Elsterglanz-Scheiß. Dafür brauch ich nicht ins Theater zu gehen. Die Situationskomik war auch nicht umreißend. Während der 90 Minuten Laufzeit habe ich vielleicht einmal gegrinst. Aber naja, ich schätze Humor ist subjektiv.
Ich meinte zu Beginn, es würde sich bei meiner Kritik um ein Verriss handeln, aber eigentlich mochte ich eine ganze Menge. Die Schauspieler Elke Richter als Frau Wolff und Hagen Ritschel als den Amtsvorsteher waren großartig. Auch Martin Reik hat die Verzweiflung und Genervtheit von Herr Krüger überzeugend rübergebracht. Nils Thorben Bartling als Dr. Fleischer hatte trotz weniger Dialoge eine starke Präsenz. Das minimalistische Bühnenbild hat dem Stück eine gute Dynamik gegeben. Die Kostüme waren auch klasse. Ich hätte mir nur gewünscht, die harte Arbeit all dieser Menschen würde nicht für ein belangloses Theaterstück verschwendet werden.
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