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Aktiv dabei – deine Meinung im Radio

Anja Thümmler, eine der ältesten Mitarbeiterin des Radio Blau über die Wichtigkeit eines solchen Medium für die heutige Gesellschaft.

In Deutschland ist die Pressefreiheit wie auch die Rundfunkfreiheit in Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit in Art. 5 GG als Grundrecht geschützt. Einerseits schützt die Pressefreiheit die Meinungsäußerungsfreiheit, dabei geht es um das Veröffentlichen verschiedener Informationen und Meinungen innerhalb aller Medien ohne Zensur. Anderseits ermöglicht sie allen Bürgern Informationen und Ideen ohne Eingriff des Staates zu empfangen, „denn eine freie Meinungsbildung ist nur möglich, wenn die Menschen sich ungehindert und umfassend informieren können, um sich ein eigenes Bild zu machen.“

Die Meinungsvielfalt ist heutzutage aufgrund der vielen Zugänglichen Informationsquellen gewährleistet, doch stellt sich die Frage, inwiefern ein Zugang über die traditionellen Grenzen des Medienapparates hinaus möglich ist. Eines der wichtigsten Ziele freien Radios ist, Themen in die Welt zu bringen, die sonst nicht gehört werden. Genau dafür steht auch Radio Blau. Ich bat Anja um ein Interview, in welchem sie die genaue Herangehensweise erläutert.

Hallo Anja, danke, dass du dir Zeit für meine Fragen nimmst. Würdest du dich kurz vorstellen und deine Arbeit bei dem Radio Blau?
Mein Name ist Anja Thümmler, ich habe Germanistik und Anglistik studiert und bin während meines Studiums sozusagen autodidaktisch zum Uniradio gekommen. Im Jahr 2008 wurde dann eine Stelle bei Radio Blau ausgeschrieben, die für Langzeitarbeitslose gedacht war.
Seitdem bin ich hier reingewachsen. Gerade arbeite ich in dem Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt, dabei kümmere ich mich um das Veranstaltungsmanagement. Da ich aber schon seit fast zehn Jahren hier arbeite, beschäftige ich mich mit vielen organisatorischen Angelegenheiten. Genauso mache ich eigene Sendungen, zum Beispiel eine Musiksendung jeden vierten Sonntag, ab und zu auch mal eine Sendung über Inklusion und verschiedene andere Themen, je nachdem was sich so ergibt.

Kannst du mir die Entstehungsgeschichte des Radios vorstellen und die damit verbundenen Ziele?
Entstanden ist das Radio Anfang der 90er Jahre, durch die damalige Bürgerbewegung, die das Ziel verfolgte, die Gesellschaft mit und nach der Wende zu verändern, weil sie die Notwendigkeit eines solchen Medium sahen, nämlich ein Radio, das wirklich Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit bietet. Genau das was es vorher nicht gab. Es wurde zum Konzept des freien Radios zurückgegriffen. Auf Basis dieser Prinzipien wurde der Verein gegründet und 1995 erstmals auf UKw gesendet. Am Anfang hatten wir vier Sendestunden einmal pro Wochenende und dann wurde viele Jahre dafür gekämpft, dass es mehr Sendezeit gibt.

Wie sieht es heute mit der Sendezeit aus?
Wir haben jetzt eine Sendezeit von 49 Stunden auf UKw pro Woche. Wir hätten auch gerne eine Vollfrequenz, einfach weil es für den Hörer sicher angenehmer ist. Bei uns läuft vor und nach unserer Sendezeit Apollo Radio, die auf Jazz und Easy Listening spezialisiert sind.

Was bedeutet Meinungsvielfalt für dich? Inwiefern existiert es in dem Radio?
Es gibt ein Gesetz, was ganz klar sagt, dass es keine diskriminierenden, gewaltverherrlichenden, frauenfeindlichen, rassistischen und generell xenophoben Äußerungen on Air geben darf. Für mich selber bedeutet Meinungsvielfalt, was auch bei Radio Blau gut rübergebracht wird, dass Menschen zu Gehör kommen die sonst nicht gehört werden. Bei uns können die Leute selber ihre Themen setzen und ihre Anliegen preisgeben. Wir haben zum Beispiel eine regelmäßige Sendung, die von Syrern geleitet wird, welche dann auf arabisch moderieren, oder eine über Autismus, die von Menschen gestaltet wird, die selbst diese Diagnose haben. Sie entscheiden alle selbst, welche Themen sie aufgreifen und über was gesprochen wird. Das wird nur dann zu einem Problem, wenn dann Verschwörungstheoretiker kommen und eine Sendung machen wollen. Das ist für mich keine Meinungsvielfalt, wenn besorgte Bürger unsere Plattform nutzen wollen, um krude Theorien aufzustellen, um platte Schuldzuweisungen für gesellschaftliche Übel zu tätigen, oder um andere zu verletzen. Das ist immer wieder schwierig, vor allem, wenn nicht klar zu entscheiden ist, wo Diskriminierung beginnt und wann Kritik zu Verschwörungstheorie wird.

Verstehe ich es richtig: im Grunde genommen kann jeder bei Radio Blau mitmachen oder wie funktioniert das?
Wir sind eines der niederschwelligsten Radios in Deutschland, man kommt halt sehr schnell selber ans Mikro und on Air.  Es gibt eine Einführungsstunde und ein Technik- und Schnittkurs, dann kann man im Grunde genommen selber senden. Bei vielen anderen Radios muss man vorher noch viele andere Seminare für Journalistik besuchen.

Ihr habt eine große Vielfalt an Sendungen und Projekte, wirkst du auch mit?
Ich versuche so oft wie es geht mitzumachen. Wir haben eine ganze Reihe von mehr- oder fremdsprachigen Sendungen, momentan sind es sieben verschiedene Sprachen, dazu Nachrichten in leichter Sprache. Außerdem Sendungen, die von Kindern und Jugendlichen gestaltet werden, wir haben das „Seniorenradio 50 plus“, eine Sendung, die vom Student*innenrat gestaltet wird, etliche Sendungen über Feminismus, das „Aktuell“-Tagesmagazin. Bei Radio Blau treffen sich Leute, die sich sonst nie treffen würden: Senioren treffen auf Punks, Technoleute auf Literaturleute, im besten Fall machen sie dann gemeinsam etwas Neues und das ist für mich der Beweis, dass Radio Blau ein Radio der Meinungsvielfalt ist.

Gibt es etwas was du den Lesern gerne mit auf dem Weg geben möchtest?
Man muss nicht die Welt komplett verändern. Es ist interessant, Menschen zuzuhören, die von einer bestimmten Sache Ahnung haben und das gerne mit anderen teilen. Und das Senden selbst stärkt auch die Sendungsmacher*innen in ihrem Selbstbewusstsein, ich habe immer das Gefühl, sie finden dadurch auch irgendwie zu sich selbst. Wir sind kein Durchhörradio, sondern ein Einschaltradio – unser Programm ist bunt gemischt, du hast das Recht auszuschalten, wann immer du willst, andere Radiosender hört man vielleicht eher nebenbei. Radio Blau ist etwas zum Zuhören, zum Mitdenken.

Liebe Anja vielen Dank für deine Zeit und alles Gute.

Titelbild: https://stocksnap.io/photo/X1MLC0C690

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